Wettbewerb "RathausQuartier"

2. Rundgang - Kubeneck Architekten Berlin

in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt: plateau landschaftsarchitekten, Berlin

Erläuterungsbericht

Idee und Städtebau

Mit mehreren Einrichtungen des Gemeinbedarfs soll das Rathausquartier in zentraler Lage der Stadt Kühlungsborn konsequent weiterentwickelt und der denkmalgeschützte Gebäudebestand gesichert werden. Die Neubauten werden sensibel in der für die Ostseeallee typischen, solitären, offenen Bauweise ergänzt und wie der Bestand in einem leicht unregelmäßigen Raster aufgereiht. Der Außenraum gliedert sich in den städtischen Ostseeplatz an der Seeseite und den kontemplativen nach Süden sich öffnenden Lesegarten zum Wald hin. Die Wegebeziehungen sind entlang der Waldachsen und der offenen Bauweise in das bestehende System eingebunden. Dies führt zu einer maximalen Vernetzung mit der Umgebung und erhöht damit die Zugänglichkeit und Präsenz des Quartiers im Stadtbild. Der neu geschaffene Ostseeplatz öffnet den Straßenraum der Allee zur zweiten Reihe der Bebauung und sorgt so für eine selbsterklärende Adressbildung der Bibliothek und des Verwaltungsneubaus. Auch die Haupteingänge der Häuser Rolle und Laetita befinden sich an dieser Stelle.

Das Rathaus erhält ebenfalls hier seinen neuen Haupteingang, der aber seiner Bedeutung entsprechend direkt zur Ostseeallee orientiert ist. Die öffentliche Bibliothek und der Ratssaal in den Erdgeschosszonen der Neubauten profitieren von den attraktiven Außenbereichen und erfüllen Platz und südorientierten Lesegarten mit Leben. Der motorisierte Verkehr wird mit der Zufahrt zur Tiefgarage und den oberirdischen Parkplätzen an der Ostseite des Wettbewerbsgebiets gebündelt. Im Rahmen der Mobilitätswende wird sich der Stellplatzbedarf langfristig reduzieren. Übergangsweise kann die vorhandene südliche Stellplatzreihe am Waldrand inkl. Fahrspur erhalten bleiben, langfristig soll sie entsiegelt und der Erholungsnutzung zugeführt werden. Weitere Stellplätze an der Westseite ermöglichen unter anderem ein kreuzungsfreies, sicheres Holen und Bringen der Kinder zur Kita.

 

Kubaturen

Durch die geschickte Wahl von Grundfläche, Gebäudehöhe, Geschossigkeit und Nutzungsverteilung (Ratssaal im Verwaltungsneubau) sind die Baumassen maßstäblich und sensibel in das städtebauliche Umfeld eingefügt. Leicht versetzt gegenüber Haus Rolle ist die Bibliothek als wichtiger öffentlicher und kultureller Ort auch in der zweiten Reihe der Ostseeallee sehr gut adressiert. Der weniger öffentliche Verwaltungsneubau steht in der Flucht des "Vorderhauses" Laetitia, ist also an der Allee weniger präsent. Dennoch ist sein Eingang durch das zurückspringende Erdgeschoss deutlich markiert und vom Ostseeplatz wie auch vom Bestandshaus aus selbsterklärend auffindbar. Die Kubatur des sehr schlanken Anbaus an das Rathaus ist dem denkmalgeschützten Hauptgebäude klar untergeordnet. Der Abstand zu Haus Laetita bleibt angemessen und der Raum sehr offen. Alle Dächer sind flach und unterstreichen mit der zurückhaltend einfachen Geometrie den Respekt der Neubauten für die Denkmäler. Im Gegenzug können sich die Fassaden selbstbewusst und modern präsentieren. Die Dachgeschosse von Rathauserweiterung und Bibliothek werden mit Bezug auf die Traufhöhen des Bestands rücksichtsvoll gestaffelt. Insgesamt werden Alt und Neu zu einem Ganzen zusammengeführt, das sich höchst spannungsvoll ergänzt.

 

Außenanlagen und äußere Erschließung

Die Wegeverbindung vom südlichen Rathausweg durch den Stadtwald und dem Strandzugang nördlich der Ostseeallee führt durch das Quartier und wird mit einer Baumreihe betont. Der Vorgartenbereich bleibt weitestgehend grün erhalten, begleitend zur Ostseeallee begrenzt eine Hortensienpflanzung das neue Quartier. Die denkmalgeschützten Bestandsgebäude entlang der Ostseeallee erhalten einen grünen Rahmen innerhalb der Platzfläche und betonen damit ihre Besonderheit. Die Pflanzfläche um das mittig gelegene Haus Laetitia wird mit Lavendel bepflanzt.

Die vorhandenen Bäume zwischen Haus Laetitia und Haus Rolle werden in einem grünen Band mit Pflanzflächen und Holzpodesten gefasst und bilden eine grüne Platzmitte. Das Band zieht sich weiter durch das Quartier bis zum Waldrand. Zwischen den beiden Neubauten verspringt das Band, hier befindet sich der Außenbereich des Lesecafés mit einer Holzterrasse. Zwischen den Eingängen von Haus Rolle, der Bibliothek und dem Verwaltungsneubau öffnet sich ein Platzbereich mit einem Sitzpodest aus Holz, das auch als Bühne nutzbar ist. Südlich der Bibliothek und des Verwaltungsneubaus schließt eine große Wiese mit Liegestühlen und Trampolinen am Waldrand an. Ein weiteres Sitzpodest kann hier ebenfalls als Bühne für Veranstaltungen und Empfänge genutzt werden.

Die multifunktional nutzbare Freifläche im Quartier weist einen hohen Grünflächenanteil auf, in die der überwiegende Teil des Oberflächenwassers versickern kann. Die Stellplätze werden aus einem begrünten Belag hergestellt. Südlich des Rathausanbaus schließt ein überdachter Fahrradunterstand mit einer E-Ladestation an. Die Müllstellplätze sind am westlichen und östlichen Rand des Quartiers platziert.

Vorhandene Bäume werden soweit möglich integriert und durch weitere Pflanzungen ergänzt. Sonnige und schattige Sitzplätze bieten Aufenthaltsmöglichkeiten für alle Jahreszeiten.

 

Nutzungen, innere Erschließung, Brandschutz

Ein Foyer empfängt die Eintretenden im neuen Anbau des Rathauses und leitet sie zum Aufzug und der neuen Haupttreppe. Diese erschließt durch die geschickt gewählte Position und Richtung mühelos und in einem Zuge die halbgeschossig zum Gelände versetzt liegenden Bestandsgeschosse wie auch die neue Tiefgarage. Auch die Treppen und Aufzüge von Bibliothek und Verwaltungsneubau sind an die Tiefgarage angeschlossen und ermöglichen so barrierefreie und wettergeschützte Verbindungen aller Gebäude untereinander einschließlich Bestand.

Den Neubau der Bibliothek betritt man über ein Foyer mit Empfang und Bücherterminal. Von hier führt der Weg weiter in das Lesecafé und den Lesesaal, der über zwei Geschosse organisiert ist. Eine Freitreppe mit Sitzstufen lädt zum Blättern und Lesen ein. Das Café nutzt den Ostseeplatz als Außenterrasse und der Lesesaal geht fließend in den südorientierten Garten über. Dort warten Leseliegen am Waldsaum mit Ruhe und Südsonne und laden zum Schmökern, Plaudern und Entspannen ein. Das Kino kann unabhängig mit oder ohne Empfangsbereich, mit oder ohne Café oder auch zusammen mit allen Flächen einschließlich der Bücherei genutzt werden und bietet somit sehr viele und flexible Möglichkeiten für Veranstaltungen. Auch der Aufzug und die Treppe sind unabhängig mit eigenem Ausgang organisiert und stellen so den 2. Rettungsweg für Haus Rolle sicher. Ein verglaster Steg verbindet den Neubau und Haus Rolle im 1. OG miteinander.

Auch im Verwaltungsneubau gibt es ein Foyer, das fließend in den Ratssaal mit großartigem Blick in den Garten überleitet. Der teilbare Saal ist auch außerhalb der Nutzungszeiten der Behörde autark nutzbar. Ebenfalls vom Foyer werden Aufzug und Treppe erreicht, die zum Hauptamt im 1. und dem Bauamt im 2. OG führen. Die Büros sind ost- / westbelichtet und verfügen über vielfältig nutzbare Warte- und Kommunikationszonen in den mittigen Erschließungsbereichen.

Alle Geschosse in beiden Gebäuden verfügen über zwei unabhängige Fluchtwege und sind in den Bürobereichen mit Nutzungseinheiten von weniger als 400 m² organisiert, um Flure nutzen und möblieren zu können und von weiteren Erleichterungen des Brandschutzes zu profitieren. Der Ratssaal ist dank seiner Lage im EG problemlos auch als Versammlungsstätte genehmigungsfähig.

 

Fassade

Die großzügigen Fensteröffnungen aller Neubauten sind als Lochfassade passend zum denkmalgeschützten Umfeld konzipiert. Die hölzernen Vorbauten beziehen ihr Thema aus der ortstypischen Bäderarchitektur. Die Erdgeschosszone öffnet sich mit Rücksprüngen für die Eingänge und mit Kolonnaden in den Garten. Der materialsichtige glatt aufgebrachte Kalkputz lässt die Neubauten ortsverbunden und mit seiner leicht changierenden Oberfläche doch modern, elegant und zeitlos wirken. In den Büros sorgen große Fenster mit minimalen Sturzhöhen für optimale Tageslichtverfügbarkeit und der niedrige geschlossene Brüstungsbereich reduziert den Wärmeeintrag. Alle Fenster können zum Lüften geöffnet und somit auch von innen gereinigt werden. Als Sonnenschutz dienen außen liegende Markisen und als Blendschutz geben helle Vorhänge den Räumen eine angenehme Atmosphäre.

 

Konstruktion und Nachhaltigkeit

Konstruktion, Haustechnik und Außenanlagen sind modern, nachhaltig und zukunftsfähig geplant. Über der Tiefgarage aus Recyclingbeton wird der Rohbau für Verwaltung und Bibliothek als Holzkonstruktion errichtet. Deckenplatten aus Brettsperrholzkastenelementen werden von der tragenden Außenwand und Stützen in der Mittelzone getragen. Die größeren Spannweiten im EG werden mit Stützen und Unterzügen überdeckt. Auf dem Flachdach werden Photovoltaikelemente PV-T mit rückseitiger Solarthermie durchdringungsfrei mit der Auflast aus der Dachbegrünung befestigt. Die extensive Begrünung bilden Pflanzen, die auch im Schatten der Photovoltaik gedeihen. Die Begrünung nützt der Natur als Retentionsfläche für das Regenwasser, als Biotop für Insekten und schützt die Dachabdichtung vor zu hohen Temperaturdifferenzen. Überschüssiges Regenwasser steht als Grauwasser im Haus zur Verfügung.

Die Beheizung der Gebäude erfolgt mit einer Fußbodenheizung, die gut mit den niedrigen Vorlauftemperaturen der PV-T harmoniert. Der Estrich selbst wirkt als thermischer Pufferspeicher für ein angenehmes Raumklima mit Fußbodenheizung im Winter und Speichermasse zur Kühlung im Sommer. In allen Räumen sind die Unterseiten der Holzdecken mikroperforiert und sorgen damit für eine gute Raumakustik. Die natürliche Fensterlüftung wird von einer maschinellen Lüftung mit Wärmerückgewinnung für den hygienischen Luftwechsel unterstützt. Die Frischluft wird über Zuluftöffnungen in der Fassade angesaugt.

Denkmäler leisten durch ihre jahrzehntelange Nutzung der immanenten grauen Energie einen ganz wesentlichen Beitrag zu Umweltschutz und CO2-Einsparung. Darüber hinaus sollen im Haus Rolle alle Kastendoppelfenster mit umlaufend eingefrästen Profildichtungen und einer Runderneuerung der Fenster nach Leitfaden ertüchtigt werden. Eine ca. 6 cm starke Innendämmung ist voraussichtlich an den meisten Wänden sinnvoll und in vielen Bereichen auch möglich. Im Dach- und Sockelbereich sollten maximale Dämmungen ausgeführt werden, soweit diese nicht bereits vorhanden sind.

Insgesamt sind Gebäude geplant, die mit möglichst einfachen robusten Bauteilen kreislaufgerecht aus lös- und trennbaren, unbeschichteten Materialien hergestellt werden. Haustechnische Maßnahmen werden vorzugsweise passiv und selbstregulierend ausgeführt, um den Unterhalts- und Wartungsaufwand zu minimieren. Die Ergänzungsbauten für Kühlungsborn sind technisch nachhaltig in den natürlichen Kreislauf und gestalterisch sensibel in die schöne Landschaft eingebettet.