Wettbewerb "RathausQuartier"

2. Rundgang - CODE UNIQUE Architekten Dresden

in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt: Rehwaldt Landschaftsarchitekten, Dresden

Erläuterungsbericht

Einordnung

Das Rathausquartier der Stadt Kühlungsborn bestehend aus dem Rathaus, dem Haus Rolle als Kulturzentrum und dem Haus Laetitia als Kurverwaltung befindet sich in erster Reihe der Ostseeallee mit direktem Blick aufs Meer. Alle drei Gebäude sind Baudenkmäler. Das Rathausquartier soll durch weitere Verwaltungsflächen für das Rathaus und der Ansiedlung einer Stadtbibliothek und eines großen Ratssaals für das Haus Rolle erweitert werden und so zu einem kulturellen Anlaufpunkt mit hoher Aufenthaltsqualität der Stadt Kühlungsborn werden. Weiterhin sind am Haus Rolle und dem Rathaus Maßnahmen zur barrierefreien Erschließung, sowie eines zweiten Rettungsweges notwendig. Der Standort zeichnet sich insbesondere durch seine lockere und vorwiegend kleinteilige Bebauungsstruktur mit ablesbarer Parzellenstruktur aus. Die Ostseeallee erstreckt sich entlang dem Meer auf der einen Seite und einem dichten Nadelwald auf der anderen Seite. Die Häuser stehen hier in maximal zwei Reihen. Die Umgebung ist vorwiegend von touristischer Nutzung, wie Hotels und Restaurants geprägt. Die Aufgabe verlangt nach einem einfühlsamen Entwurf, welcher die Maßnahmen an den Baudenkmälern möglichst reduziert und ein ebenbürtiges Haus in zweiter Reihe errichtet.

 

Städtebau und Freiraum

Der Neubau liegt als langer dreigeschossiger Riegel hinter den drei Bestandsdenkmälern und beinhaltet alle geforderten Nutzungen in einem Haus (Verwaltung I Bibliothek I Ratssaal). Der Entwurf setzt sich bewusst von den Denkmälern ab und verzichtet auf eine bauliche Anbindung, sodass das äußere Erscheinungsbild der Bestandshäuser und das historische Bild der gewachsenen Parzellenstruktur gewahrt bleibt. Die ausdrucksstarke Form des Neubaus leitet sich aus einer Reihe örtlicher bautypologischer Eigenheiten ab, welche die Brücke zur lokalen Architektur schlagen und diese neu interpretieren. Die längliche Grundform des Baukörpers lehnt sich bewusst an die Typologie von Langhäusern und Scheunen an und wird dadurch architektonisch sehr eigenständig. Das neue Rathaus wird ein weiterer Baustein im Ensemble der umgebenden skulpturalen Bestandsarchitekturen. Die markante Ansicht des Giebels zeichnet eine klassische Ansicht des Krüppelwalmdachs nach und transportiert diese in die Moderne. Weiterhin erinnert der große Kreisbogen an eine überdimensionale Fledermausgaube, die den Dachraum mit ausreichend Tageslicht versorgt. Mit einer Höhe von 10,15m orientiert sich der Neubau an dem vorgelagertem Haus Laetitia und überschreitet dessen Höhe bewusst nicht. Die Traufkante verortet sich bei einer Höhe von 3,50m, was den Baukörper wesentlich flacher erscheinen lässt. Dadurch wird eine Konkurrenz mit den Bestandsgebäuden bewusst vermieden. Der lange Gebäuderiegel markiert ein klares Ende hinter den Einzelvillen in der vorderen Reihe und rahmt damit das neue Rathausquartier. Das durchgesteckte Foyer, als Reminiszenz an die typische Parzellenstruktur, leitet behutsam durch das Gebäude und führt den Grundgedanken der Parzellierung subtil fort.

Es entsteht eine neue Mitte hinter dem Haus Laetitia, welcher als Vorplatz des Neubaus fungiert. Ein Bürgergarten lädt außerdem zum Verweilen ein. Das neue Rathausquartier präsentiert sich zur Ostseeallee mit den für Kühlungsborn typischen Vorgärten der historischen Villen. Dabei wird jeder (Vor-)Garten entsprechend der Entstehungszeit und ursprünglichen Nutzung gestaltet. Um die vorhandene Parzellenstruktur zu erhalten und von der Ostseeallee sichtbar zu belassen wurden die drei Achsen zwischen den Häusern weiter ausgebaut und konkretisiert. Die Hauptachse zum Quartier befindet sich zwischen dem Haus Rolle und dem Haus Laetitia. Ein Plattenbelag aus Granit führt zentral auf den Eingang des neuen Rathauses. Seitlich angelagerte Streifen aus wassergebundener Decke reduzieren die Versiegelung und nehmen die Bestandsbäume auf. Hier werden besondere Bankelemente aus Holz im Schatten der Bäume aufgestellt. Vom Vorplatz des Rathauses werden die Bestandsgebäude campusartig erschlossen. Neben einem Bürgergarten befinden sich hier auch Flächen für die Regenwasserversickerung und dezentral angeordnete Fahrradabstellanlagen, welche teilweise mit Stromanschluss versehen werden.

Die Inszenierung der Eingangsgeste wird durch einen tiefen Rücksprung im Erdgeschoss, sowie einer gläsernen Mitte im Gebäude konkretisiert. Eine Zuwegung östlich vom Haus Rolle dient der Anbindung des Quartiers mit dem Auto und führt auf den Parkplatz mit 80 Stellplätzen hinter dem Neubau. So entstehen keine Kreuzungspunkte mit dem langsamen Verkehr (Fußgänger und Fahrradfahrer). Die weiteren 40 Stellplätze werden in einer Tiefgarage unter dem Haus realisiert. Mit Rasenlinern (moderne Rasengittersteine) und klimaresilienten Baumpflanzungen wird die oberirdische Stellplatzanlage maximal begrünt und schafft so einen sanften Übergang zum südlich gelegenen Stadtwald. Auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude befinden sich zwei barrierefreie Parkplätze, sodass kurze Wege zum Neubau ermöglicht werden. Vom Parkplatz aus kann man durch den südlichen Nebeneingang das Gebäude betreten. Die Kiss&Ride Zone für die Kita befindet sich auf den Bestandsparkplätzen auf dem Rathausweg. Zwischen dem Rathaus und dem Haus Laetitia wurde eine Fahrradachse integriert, welche den Fahrradweg aus dem Wald mit der Ostseeallee verbindet und so das Quartier an das Fahrradnetz anbindet.

 

Innere Struktur und Nutzungsverteilung

Bestandsgebäude:

Notwendige Maßnahmen zur Barrierefreiheit und des zweiten Rettungsweges im Haus Rolle und im Rathaus wurden so dezent wie möglich innerhalb der jeweiligen Häuser realisiert, sodass von außen, kaum sichtbare Eingriffe notwendig sind. Das bestehende Rathaus bekommt die zweite bauliche Fluchttreppe, sowie einen Aufzug an der östlichen Stirnseite des Gebäudes. Um die Flächen für Treppe und Aufzug zu kompensieren, wurde eine Büroeinheit (Einheit für Finanzen) in das neue Verwaltungsgebäude verlagert. Am Haupteingang wurde ein großzügiger Wartebereich mit Tresen eingeplant, welcher ein angemessenes Ankommen im Rathaus ermöglicht. Das Haus Rolle bekommt die zweite bauliche Fluchttreppe, sowie einen Aufzug an der Ostseite des Gebäudes, wo sich vorher die Heimaträume 2 und 5 befanden. Die Werkstätten werden in die bisher nicht genutzt Hälfte des Dachgeschosses umverlagert.

 

Neubau:

Die mittigen Rücksprünge im Gebäude markieren den Eingang im Norden und den Nebeneingang im Süden des Neubaus. In einem großzügigen Foyer steht eine halbrund geschwungene Treppe, welche in die oberen Geschosse leitet. Im Erdgeschoss befinden sich Verwaltungsflächen für das Rathaus. Die Büros sind kompakt als Dreibund organisiert. Die Clusterbüros sind durch Türen zwischen den Einheiten miteinander verbunden, sodass man die jeweiligen Büros je nach Bedarf zusammenschließen kann. Oberhalb des Erdgeschosses beginnt das geneigte Dach. Mit dem geometrischen Bruch der Form geht auch ein Wechsel der Nutzungen einher. Hier finden sich die öffentlichen Nutzungen wie Bibliothek und Ratssaal wieder. Um das Dach ganzheitlich wahrnehmen zu können, stellt sich in den "Dachraum" ein funktionaler Kern mit Erschließung, Sanitäranlagen und anderen Nebennutzungen ein. Der Kern besteht aus zwei nutzbaren Geschossebenen. Im unteren Geschoss ist dieser geschlossen und im oberen Geschoss bildet er sich vorwiegend als offene Galerie ab. Der Kern ist mittig in den Grundriss eingestellt und allseitig umlaufbar. Die Flure zwischen Kern und Fassade dienen zur Haupterschließung der Nutzungen. Als besonderes Gestaltungselement wurde in der Fassade eine halbrunde Verglasung in ganzer Länge des Kerns eingefügt. Von hier aus kann man zwischen dem Haus Rolle und dem Haus Laetitia direkt auf die Ostsee schauen. Zu den zwei Giebelseiten des Hauses öffnet sich der Grundriss, hier befinden sich die zwei Großräume, welche sich zweigeschossig durchstecken: die Stadtbibliothek und der Ratssaal. In den beiden Großräumen kann man das Dach ganzheitlich wahrnehmen, sie werden vorrangig durch die Giebelseiten belichtet. Der Gemeinschaftsbereich der Verwaltung wurde in das 2.OG verlagert. Das Auslagern dieses Bereiches von der Verwaltungsspange im EG bietet den Vorteil, dass man den großen Sitzungssaal nach Feierabend auch anderweitig nutzen und vermieten kann. Mit schiebbaren Glaselementen kann man den Saal öffnen und mit dem Ratssaal als Galerie zusammenschalten (z.B. für Musikveranstaltungen oder Theateraufführungen). Dies ermöglicht eine größtmögliche Flexibilität und Nutzungsdiversität.

 

Konstruktion I Nachhaltigkeit I Energieeffizienz

Um zukunftsorientiert und ökologisch im Sinne der Nachhaltigkeit zu bauen, wurde auf eine minimale Flächenversiegelung geachtet und ein optimales A/V-Verhältnis größten Wert gelegt. In der konzeptionellen Entwicklung war daher eine kompakte und flächeneffiziente Bauweise maßgeblich. Als Tragstruktur wurde der nachwachsende Rohstoff Holz gewählt. Ein Tragwerk aus Brettschichtholzstützen und -rahmen bildet die Haupttragstruktur. Die Zwischendecken sind als Holz-Beton-Verbunddecken angedacht. Raumakustisch wirksame Maßnahmen werden in ohnehin erforderliche Innenausbauten und den Decken integriert. Es wird ein Fußboden-Niedertemperaturheizungssystem vorgeschlagen. Als energetische Unterstützung wird eine Photovoltaikanlage angedacht. Die Erzeugung von Strom zum Eigenverbrauch erfolgt auf einer Fläche von insgesamt bis zu 690 qm, die auf dem Dach verortet ist. Alternativ ist auf diesem Grundstück die vorteilhafte und günstige Geothermienutzung denkbar. Weiterhin werden die Dachflächen zur Sammlung von Regenwasser und einer damit verbundenen Grauwassernutzung verwendet. Die Speicherung des Wassers erfolgt in einer Zisterne.

Zugunsten optimierter Betriebskosten wird sowohl im Winter als auch im Sommer eine hohe Energieeffizienz angestrebt, welche eine hohe Behaglichkeit im Gebäude sicherstellt. Insbesondere Architektur und Baukonstruktion tragen zu einer energetisch günstigen Gesamtbilanzierung bei. Die Fassade des Gebäudes zeigt sich durch eine Vorhangfassade aus hellen vertikal gegliederten Alu-Lamellen. Die Ausbildung der Fassade ist als eigenständige vorgehangene Konstruktion, welche an der Primärkonstruktion befestigt wird, vorgesehen. Die helle leichte Erscheinung des Baukörpers bildet eine optimale Ergänzung zum Innenraum, die durch hölzerne Verkleidungen dominiert wird. Aluminiumfassaden sind einerseits langlebige und wartungsarme Fassadematerialien. Andererseits zeichnet sich das Material durch einen hohen Nachhaltigkeitsansatz aus, da Aluminiumfassaden nahezu vollständig aus Sekundärmaterial hergestellt werden können. Sie sind vollständig recyclebar, wiederverwendbar und vereinen somit alle Ansprüche an eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Fassade. Strukturell sind alle Bereiche natürlich zu belichten, wodurch eine optimale Tageslichtausnutzung gewährleistet wird. Zur Reduzierung des sommerlichen Wärmeeintrages wird an den Fenstern der Ost-, West- und Südseiten des Gebäudes ein steuerbarer Sonnenschutz in verschiedenen Ausführungen angebracht. Alle Räume verfügen über einen innenliegenden Blendschutz. Die verhältnismäßig einfache Gebäudekonfiguration mit einer bewährten Ausführungskonstruktion gewährleistet eine wirtschaftlich optimierte Bauwerkserstellung. Mit den einheitlichen und optimierten Fassadenoberflächen sind alle Wartungs- und Reinigungsaufwendungen im günstigen Bereich anzunehmen. Ziel des vorliegenden Technikkonzeptes ist es, das Gebäude wirtschaftlich und energetisch optimal zu betreiben. Soweit möglich ist ein hoher Grad an natürlichen belüfteten Bereichen erstrebenswert (Büros, Besprecher und Sozialräume). Eine Dreifachverglasung sorgt für einen optimalen winterlichen Wärmeschutz. Beleuchtungsanlagen sind vollständig als LED-Technik ausgeführt und werden zentral und tageslichtabhängig gesteuert.