Wettbewerb "RathausQuartier"

2. Rundgang - Baldauf Architektur Innenarchitektur Schwerin

in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt: Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH, Berlin

Erläuterungsbericht

Grundsätze zum Entwurf

Das Rathausquartier der Stadt Kühlungsborn ist sich seiner historisch gewachsenen Struktur bewusst. Es bewahrt die denkmalgeschützten Villen an der Ostseeallee und setzt zugleich mit klaren, funktionalen, energieautarken und zeitlosen Neubauten Maßstäbe für die Zukunft.

Die drei historischen Villen in der ersten Baureihe verbleiben als Solitäre ohne weitere bauliche Verdichtungen. Denn der freie Durchblick zwischen den Gebäuden ist ein Schatz, den es zu wahren lohnt. Ein Ergänzungsbau zur Bündelung aller Einrichtungen für den Gemeinbedarf wird daher in zweiter Reihe geplant – ein klarer, strukturierter Bau, vor dem die „Perlenschnur“ der Villen ihren Charakter ungehindert ausspielt.

Dieser Bau, ein geradliniges zweigeschossiges und helles Gebäude mit Freiräumen und Blickbeziehungen zum Stadtwald, entsteht in enger Anlehnung an die Gestaltungssatzung der Stadt Ostseebad Kühlungsborn. Ein weiterer eingeschossiger, transparenter Bau schafft die Verbindung zum Haus Rolle, ohne die Dominanz der denkmalgeschützten Villa in Frage zu stellen.

Um die wahrnehmbare Kubatur des Neubaus zu minimieren, werden Bereiche der Bibliothek im Untergeschoss des Gebäudes platziert. Eine natürliche Belichtung über Galerien und großflächige Deckenöffnungen betonen den architektonisch anspruchsvollen Ansatz.

Im bisherigen Rathaus wird ein neues Entrée mit Empfangs- und Wartebereich und Sanitäranlagen im Sockelgeschoss entstehen. Auch eine barrierefreie Erschließung aller Ebenen wird in das Bestandsgebäude intergiert. Räume, die hierdurch verloren gehen, werden im Neubau Platz finden.

 

Nutzung Rathaus

Nach erfolgter Kernsanierung wird in den hellen, großzügigen Raumvolumen des Sockelgeschosses ein hochwertiger Willkommensbereich im Rathaus geschaffen. Dieser bietet auch den idealen Ort zur Schaffung eines inklusiven Zugangs für Menschen mit und ohne Behinderungen. Neben einer persönlichen Beratungsmöglichkeit wird von hier aus auch der Zugang zu den barrierefreien Sanitäranlagen und die barrierefreie Erreichbarkeit aller Rathausebenen geboten.

Über eine unterirdische, wettergeschützte Verbindung wird ein barrierefreier Zugang zum Neubau mit Bibliothek und Ratssaal, Haus Rolle sowie den barrierefreien Parkplätzen in der Tiefgarage ermöglicht.

 

Nutzung Verwaltungsneubau mit Erweiterung Haus Rolle

Untergeschoss:

Der Verwaltungsneubau erhält eine Tiefgarage mit 74 PKW-Stellplätzen inklusive Sonderstellplätzen für Menschen mit Mobilitätsbehinderungen. Von hier aus erhält man Zugang zu den Treppenräumen mit Aufzügen zu allen Funktionsbereichen. Die Erschließung erfolgt über eine Zufahrt an der östlichen Grundstücksgrenze.

In den Räumen des erweiterten Haus Rolle entsteht im Untergeschoss eine Bibliothek mit Freihandbereich, Mediathek, Lese- und Studierbereichen. Ein lichtes und großzügiges zweigeschossiges Raumvolumen schafft eine besondere Aufenthaltsqualität. Ebenso finden ein Kino mit 20 Sitzplätzen, Sanitärräume, Büro- und Lager hier ihren Platz.

Das Untergeschoss sieht neben den Technikräumen zur Nutzung der regenerativen Energien auch Archive, Lager und Abstellräume für den Ratssaal, TFK und die Verwaltung vor. Verbindungen zu den Aufzügen, der Tiefgarage und zum Rathaus garantieren kurze Wege und Zugänglichkeit.

 

Erdgeschoss:

Im Erdgeschoss des Verwaltungsneubaus befindet sich ein großzügiger Durchgang in Richtung Stadtwald. Hier schließen sich transparente Eingangsbereiche zur Verwaltung und zum Ratssaal an.

Im westlichen Gebäudeteil sind Flächen für die Verwaltung (Hauptamt) und die Ausgleichsflächen für Räume aus dem Rathaus angeordnet. Die Büros sind sowohl als Einzelbüros für konzentrierte Einzelarbeit und als Büroflächen für Teamarbeit geplant.

In die Verkehrsflächen sind interne und externe Wartebereiche integriert. Im Empfangsbereich finden sich Sanitäreinrichtungen für alle. Nach Osten schließt sich ein Trakt mit Lobby zum Ratssaal, Teeküche und weiteren Sanitäreinrichtungen für alle an. Über den Aufzug wird die schnelle Erreichbarkeit des Stuhllagers im Untergeschoss gewährleistet.

Die ein- und zweigeschossige Raumhöhe des Ratssaals ermöglicht große Projektionsflächen und das Aufstellen einer Veranstaltungsbühne. Der Eingang zum Saal erfolgt unabhängig von den Öffnungszeiten der angrenzenden Gebäude über die Lobby oder vom Haus Rolle über einen transparenten Verbindungsbau. Mobile Trennwände ermöglichen eine Aufteilung des Saales mit separaten Zugängen für kleinere Veranstaltungen.

Der Verbindungsbau zum Haus Rolle bildet auch den Eingangsbereich zur Bibliothek und zur barrierefreien Erschließung des Haus Rolle. Hier finden Besucher neben einem inklusiven Empfangs- und Terminalbereich auch ein Lesecafé mit SB-Getränkeversorgung

 

Obergeschoss:

Die Flächen für die Verwaltung (Bauamt) sind in gleicher Strukturierung wie die Büroflächen im Erdgeschoss gestaltet. Hier bietet sich auch der ideale Standort für den zentralen IT-Bereich mit Büro, Serverraum und Lager. Im östlichen Gebäudeteil befinden sich der große Sitzungsraum mit angegliederter Teeküche, ein Pausenraum mit Teeküche und weitere Sanitäreinrichtungen für alle.

 

Allgemeine Innengestaltung

Im gesamten Gebäude wird neben einer individuellen Beleuchtung mit Zonierungen ein besonderes Augenmerk auf eine Ausstattung mit Einfluss auf eine angenehme Raumakustik gerichtet. Hierbei werden möglichst naturbelassene Materialien verwendet.

 

Nutzung Haus Rolle

Neben dem Abbruch des Anbaus auf der Südseite wird im südlichen Flur ein barrierefreier Aufzug zur Erschließung aller Gebäudeebenen im Haus Rolle und der Bibliothek behutsam eingebaut.

 

Konstruktionsweise, Material und Nachhaltigkeit

Der Verwaltungsneubau und Erweiterungsbau Haus Rolle ist als Holzhybridbau konzipiert. Auf dem Untergeschoss in Massivbauweise werden die Innen- und Außenwände des Erd- und Obergeschosses als vorgefertigte Holzrahmenwände mit Platten und Akustikelementen als innere Bekleidung aufgesetzt. Die Außenfassade besteht aus Holz-Zelluloseplatten mit Fassadenputz und Anstrich. Diese Bauweise gewährleistet Stabilität, effektive Bauzeit und ein angenehmes Raumklima.

Gegenüber einem reinen Stahlbetonbau verursacht diese Konstruktionsweise über die Lebenszeit ca. 90% weniger CO2, ist 60% leichter und kann doppelt so schnell fast emissionsfrei errichtet werden.

Die Decken werden als Sperrholzbinder mit Tragschicht und Heiz- bzw. Kühlestrich ausgeführt. Der Dachabschluss besteht aus einem mehrschichtigen Biodiversitätsdach für kontrollierten Niederschlagwasserabfluss in eine Regenwasserzisterne.

Die Außenfassade im Obergeschoss ist als vorgehängte gläserne Fassadenkonstruktion mit integrierten hellen PV-Elementen an der Ost-, Süd- und Westfassade in individueller Musterung geplant. Auf der Nordfassade wird die Musterung über einen hellen Siebdruck fortgeführt.

Neben der Stromproduktion bietet die Fassade als Sonnenschutzfassade freien Blick nach außen und dient zur Klimaregulierung der Außenwände. Auf der Südseite werden zusätzlich Sonnenschutzrollos angeordnet. Weitere PV-Elemente auf der Dachfläche sorgen für energetische Unabhängigkeit. Von einer Amortisierung der Kosten für die PV-Anlage innerhalb von 10-12 Jahren ist auszugehen.

Das Erdgeschoss des Verbinders zu Haus Rolle besteht aus einer filigranen Tragkonstruktion mit äußerer Bekleidung aus Sonnenschutz-Glasverbundplatten mit integrierten PV-Modulen und opaken Einlagen. Bewegliche Fassadenelemente sorgen für eine natürliche Belüftung und Regulierung des Raumklimas. Neben der Stromproduktion dient das individuelle Muster der PV-Module zusätzlich dem Sonnen- und dem Vogelschutz.

 

Sanierung Haus Rolle:

Eine energetische Sanierung der Gebäudehülle durch geeignete bauliche Maßnahmen sollte durch die wertvolle denkmalgeschützte Substanz der Hülle mit den inneren Ausstattungen nur in eingeschränktem Umfang durchgeführt werden. Hierzu gehören u.a. Abdichtungen und Dämmungsmaßnahmen im Sockelgeschoss, Dämmung des Dachgeschossbodens, denkmalgerechte, filigrane Fenster mit Isolierverglasung nach skandinavischer Bauart - auch als innere Vorsatzfenster im EG und OG.

 

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz / Ökologische Zielsetzungen

Die angestrebten Standards der Neubebauung basieren auf dem Bewertungssystem des Bundes für nachhaltiges Bauen in Bezug auf ökologische, ökonomische und soziokulturelle Qualitätsansprüche.

Verwaltungsneubau und Erweiterung des Haus Rolle werden über eine Wärmepumpe klimatisiert, die über tiefliegende Erdwärmesonden und über die dachintegrierte Solarthermie mit Energie versorgt wird. Eine PV-Anlage mit Batterie-Zwischenspeicher versorgt die Wärmepumpe mit elektrischer Energie. Die Klimatisierung des Gebäudes erfolgt über die Fußbodenflächen des Estrichs.

Die Beheizung von Haus Rolle erfolgt über eine Kaskadierung der Wärmepumpe zur Erreichung der notwendigen Vorlauftemperatur zum effizienten Betrieb von neuen Heizkörpern ohne Einschränkungen der historischen Schiebeläden.

Die Gebäude sind hiermit energieautark. Ein Energieüberschuss versorgt Haus Rolle effizient mit, so dass energetische Mängel der denkmalgeschützten Substanz teilweise ausgeglichen werden können.

Durch zusätzliche Einzelmaßnahmen wie z.B. die Nutzung von Niederschlagwasser aus der Zisterne zur Spülung der WC-Anlagen lassen sich weitere Einsparungen im Rahmen eines Plus-Energie-Hauses realisieren. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral auf Basis der vorhandenen Energien.

 

Barrierefreiheit

Wir fühlen uns einer Gestaltung für Vielfalt und Inklusion verpflichtet. Ziel ist die selbstbestimmte und gleichberechtigte Nutzung aller Einrichtungen für Menschen mit und ohne Behinderungen.

Dazu werden barrierefreie Zuwegungen, Gebäude und Ausstattungen auf Basis der DIN 18040 realisiert. Eine zusätzliche funktionelle Analyse der individuellen Anforderungen vor Ort bildet die Grundlage zur Entwicklung eines ganzheitlichen Inklusionskonzepts. Hierzu gehören z.B. tastbare Orientierungssysteme auch für blinde und sehbehinderte Menschen nach DIN 32975, DIN 32984 und DIN 32986 sowie der Einsatz von transparenten Flächen und abgerundeten Ecken für eine bessere barrierefreie Nutzung für Menschen mit Hörbehinderungen und gehörlosen Menschen.

 

Freiraumkonzept

Das Rathausquartier integriert sich in die Typologie des Bebauungsstreifens südlich der Ostseeallee. Der öffentliche Freiraum des Rathausquartiers um die solitären Gebäude wird als eine Reihung von Gärten interpretiert und mit Stauden, Gräsern und Hecken, Wegen gartenähnlich gestaltet. Diese Gestaltung könnte durch geeignete verkehrsberuhigende Maßnahmen an der Ostseeallee aufgenommen werden, um die Aufenthaltsqualität an der Promenade zu erhöhen.

In Zentrum des Rathausquartiers wird ein großzügiger Vor- und Aufenthaltsplatz am Neubau vorgesehen, der auch für Veranstaltungen und sommerliche Empfänge genutzt werden kann. Ein besonderer Bodenbelag und Sitzelemente beleben das Zentrum und auch den zentralen Durchgang zum Parkplatz. Der Parkplatz wird durch standortgerechte Bäume gegliedert, die den Parkplatz in den Kontext der Gärten einbinden und die Stellplätze beschatten. Dafür werden Pflanzkübel in der TG-Decke integriert. Die Fahrradstellplätze werden gut zugänglich im Eingangsbereich angeordnet.

Am Rathaus sichert eine kombinierte Treppen- und barrierefreie Rampenanlage gleichberechtigten Zugang. Ein Stadtmodell im Eingangsbereich akzentuiert den Ort und unterstützt die Auffindbarkeit des Eingangs. Die Hochzeitsterrasse mit Treppe am Trauzimmer wird durch eine Hochzeitsbank im Garten ergänzt.