Wettbewerb "RathausQuartier"

2. Platz - Krusche Huang Architekten Hamburg

in Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekt: arbos Freiraumplanung GmbH, Hamburg

Erläuterungsbericht

Türme, Loggien und das Meer                                                         

Einleitung

Türme, Loggien und das Meer sind die Themen der historischen Bäderarchitektur Kühlungsborns die uns besonders inspirierten und zur Leitidee unseres Entwurfes geworden sind. Für die Menschen, die zur Erholung kommen, hat Kühlungsborn einen magischen Charme, wie eine Art „Zauberberg“ am Meer.

Die Architektur ist leicht und fröhlich, die umgebende Natur wunderschön. Das Gesamtkunstwerk Kühlungsborn zu erhalten und mit viel Respekt weiterzuentwickeln soll das Ziel unseres Entwurfes sein.

 

 

Städtebau

Der städtebauliche Entwurf respektiert die Struktur der historischen Planung, die Neubauten rücken bescheiden in die zweite Reihe zurück und nehmen die Fluchten der Bestandsgebäude in der ersten Reihe auf. Dadurch wird die Blickverbindung von der Ostseeallee zum Wald wieder hergestellt und die drei historischen Gebäude können ihre Wirkung, wie zum Bauzeitpunkt vor ruhigem Hintergrund, entfalten.

Die neue Stadtbibliothek mit Ratssaal und der Verwaltungsneubau formen mit den Bestandsgebäuden ein klares Raster, das den städtebaulichen Raum in differenzierte Bereiche gliedert. Der Weg vom Wald zum Strand im Westen wird durch die Verlegung des Rathauseingangs gestärkt und dient zur Fuß- und Radläufigen Erschließung des Quartiers. Die Querachse mit Dünenlandschaft verbindet das Quartier untereinander und führt zum östlichen Quartiersplatz, der als Treffpunkt mit hoher Aufenthaltsqualität, zwischen Bibliotheksgebäude und Verwaltungsneubau entsteht.

Während sich das Quartier in Richtung Ostseeallee und Waldweg öffnet entsteht in Richtung Süden ein geschützter Bereich mit Terrasse und Lesegarten, der durch dichte und vielschichtige Bepflanzung vom dahinterliegenden Parkplatz getrennt ist. Eine unauffällige Zufahrt im Osten des Geländes trennt den Autoverkehr vom Quartier und gewährleistet trotzdem eine gute Erreichbarkeit der Anlage.

 

Freianlagen – Vielfältige Räume

Rathaus, Tourismuszentrale und Haus Rolle haben eine wichtige repräsentative Funktion für die Stadt Kühlungsborn. Der durch Blumenbeete geprägte Eingangsbereich entlang der Ostseeallee wird erhalten und erweitert. Die ortsprägenden, alten Gehölzstrukturen, die das Haus Rolle einrahmen sollen, gepflegt und erhalten werden und durch Neupflanzungen zwischen Rathaus und Haus Laetitia ergänzt werden.

Zwischen den beiden neuen Gebäuden im Inneren des Quartiers entsteht ein kleiner Platz aus Grand, der der neuen Stadtbibliothek und dem Ratssaal als attraktiver Vorplatz dient. Ob Empfänge oder Lesungen, der Vorplatz bietet vielfältige Nutzungsmöglichkeiten. Erhöhte Sitzinseln bieten Aufenthaltsmöglichkeiten und ermöglichen die Pflanzung von schattenspendenden Gehölzen auf der Tiefgarage.
Parallel zur Ostseeallee entsteht zwischen der Bestandsbebauung und den neuen Gebäuden eine Dünenlandschaft aus Hügeln und Mulden, die mit Dünengräsern die unmittelbare Nähe zum Meer hervorhebt.

Neben der attraktiven Gestaltung für die Tourist:innen und Besucher:innen, soll die Gestaltung auch identitätsstiftend für die Mitarbeitenden im Rathausquartier sein. Eine private Terrasse im Süden des Verwaltungsgebäudes bietet die Möglichkeit zum Arbeiten oder Entspannen im Freien.
Gegenüber dazu liegt im Süden der Bibliothek, eingefasst von Sträuchern und Stauden ein Lesegarten für alle.

 

Architektur

Die Neubauten stellen sich, trotz ihrer selbstbewussten modernen Sprache, in Materialität und Anmutung bewusst in die Tradition der Bäderarchitektur Kühlungsborns und formen im Zusammenspiel mit den bestehenden Gebäuden das neue Gesicht des Rathausquartiers.

Die Gliederung der Fassaden durch Türme, Loggien, Vor- und Rücksprünge sowie unterschiedlicher Putzstrukturen sind Elemente, mit denen sich die neuen Gebäude der umgebenden Bebauung annähern. Durch andere Elemente wie leichte Holzkonstruktionen, Gründächer und Höhenunterschiede als bewusste Brechung der Symmetrien sind die Neubauten unmissverständlich als zeitgenössische Gebäude erkennbar die das Ensemble Ostseeallee bereichern, ohne den örtlichen Charakter zu verlieren.

 

  • Rathausanbau

Im Bereich des Rathauses schlagen wir einen minimalen Eingriff vor, um die Funktion des Gebäudes zu ertüchtigen, ohne die Kubatur, bzw. Identität des Rathauses wesentlich zu beeinträchtigen. Der Eingang des Rathauses wird von der West- auf die Ostseite verlegt, um einen direkten Zugang vom neuen Zentrum des Quartiers und eine direkte Verbindung mit dem Verwaltungsneubau zu ermöglichen. An der Ostseite befindet sich der neue Haupteingang mit Treppenturm und Aufzug, an der Westseite werden neue WC-Räume angeordnet. Das Barrierefreie WC, der Empfang und der Wartebereich werden im Inneren des Gebäudes eingerichtet, um das Volumen der Anbauten möglichst klein zu halten. Die dafür entfallenen Büroräume sind ersatzweise im Rathauserweiterungsbau vorgesehen.

Der Treppenturm kennzeichnet den Eingang zum Rathaus, und hebt das Rathaus in Richtung Ostseeallee hervor. Auf dem Treppenturm befindet sich eine überdachte Aussichtsplattform, die den Besuchern einen Blick über die Ostsee ermöglicht.

 

  • Verwaltungsbau

Als Gegenstück von Haus Laetitia liegt der weiß verputzte Verwaltungsneubau, der mit der Gestaltung seiner zwei Loggientürme auf das Halbrund des Bestandsgebäudes reagiert und die historische Bäderarchitektur auf eine zeitgemäße Weise zitiert und gleichzeitig Freisitzmöglichkeiten für die Mitarbeiter:innen bietet. Der Verwaltungsneubau ist symmetrisch organisiert und verfügt über Zugänge von Westen und Osten. Der klar strukturierte Grundriss im Inneren bietet flexible Nutzungsmöglichkeiten. Die Räume lassen sich zu zwei Gruppen zusammenschalten die unterschiedliche Teamarbeiten ermöglichen.

 

  • Bibliothek und Ratssaal

Das Bibliotheksgebäude steht, durch einen zurückhaltende Zwischenbau vom Haus Rolle getrennt, selbstständig neben dem Bestandsgebäude. Das Denkmal Haus Rolle wird behutsame saniert und durch minimale Umbaumaßnahmen im Inneren geschossweise mit der neuen Erweiterung verbunden, um die Barrierefreiheit herzustellen.

Die Erweiterung beinhaltet die Stadtbibliothek und den Ratssaal der als Staffelgeschoss auf dem Dach der Bibliothek verortet ist. Das Gebäude nimmt die Bauflucht von Haus Rolle auf und stellt sich dem historischen Gebäude gleichwertig an die Seite, tritt jedoch durch seine tiefere Wandhöhe ein Schritt zurück. Das Staffelgeschoss unterscheidet sich förmlich vom Mansardendach Haus Rolle, um nicht in Konkurrenz damit zu treten. Der Wandanteil wird mit weiß strukturiertem Putz betont, das Staffelgeschoss tritt mit seiner blaugrauen Holzkonstruktion, zusammen mit dem Dach vom Haus Rolle, in den Hintergrund.

Der zweigeschossige Zwischenbau dient gleichzeitig als Verbindung zwischen Bestand und Neubau, und als unabhängiger Eingang des Ratssaals. Es nimmt sich, durch seine leichte Pfosten-Riegel-Fassade, optisch zurück und stellt eine klare Trennung der Baumassen her. Die Geschosshöhe der Bibliothek orientiert sich am Bestand, durch den neben dem Zwischenbau platzierten Erschließungskern mit Aufzug sind alle drei Nutzungen, Haus Rolle, Stadtbibliothek und Ratssaal barrierefrei und jederzeit unabhängig voneinander zu erreichen.

Die Bibliothek gruppiert sich auf mehreren Ebenen um einen zentralen dreigeschossigen Luftraum und verfügt über einen großzügigen Eingangsbereich mit Lesecafé.

Der Ratssaal ist im inneren mit einer Faltwand in der Mitte flexibel aufteilbar. Die großzügigen Fensterflächen können mit hölzernen Klappschiebeläden verdunkelt werden. Findet eine Veranstaltung statt können die Fensterläden geöffnet werden und der Ratssaal leuchtet in die Umgebung heraus.  

 

Baukonstruktion

Baukonstruktives Ziel ist das einfache Bauen. Monolithische Wandaufbauten, erlauben den Verzicht auf komplizierte Bauteilschichtungen und Anschlüsse. Zu diesem Zweck wurden die Gebäude als monolithische Mauerwerksbauten mit ungefüllten Hochlochziegeln entworfen. Die große Wandstärke von 49cm erlaubt sehr gute U-Werte auch ohne die Verwendung von zusätzlichen Dämmstoffen. Die Wandflächen werden rein mineralisch geputzt, die Diffusionsoffenheit der Wandbauteile bleibt erhalten, was das Raumklima verbessert. Der Einsatz von petrochemischen Produkten soll so weit wie möglich reduziert werden. Das Dach ist als Flachdach mit Photovoltaikanlage geplant. Eine Ausnahme bildet das Staffelgeschoss des Ratssaales welches als leichte Holzkonstruktion ausgeführt werden soll.   

 

Energiekonzept und Nachhaltigkeit

Alle Gebäude sind als hochwärmegedämmte Niedrigenergiehäuser geplant und sollen von einer zentralen

Geothermie Anlage mit Sole-Wasser Wärmepumpe versorgt werden. Die Photovoltaikflächen auf den Dächern sollen einen Teil der dazu nötigen elektrischen Energie liefern.

Eine wirkliche Nachhaltigkeit jenseits der selektiven Betrachtung des Jahresenergieverbrauches kann aber nur bei der holistischen Betrachtung des Gebäudes von Errichtung bis Abriss erreicht werden. Eine maßgebliche Rolle spielt hier die Lebensdauer eines Gebäudes. Nichts spart mehr Energie als die langfristige Nutzung vorhandener Gebäude. Uns war es deshalb besonders wichtig, schon beim Entwurf und Konzeption eine maximale Lebensdauer des Gebäudes anzustreben um auch die geplanten Neubauten so lange wie Rathaus, Haus Laetitia und Haus Rolle nutzen zu können.

 

Energetische Sanierung Haus Rolle

Wir schlagen eine denkmalgerechte Sanierung für Haus Rolle vor: Der Anbau wird zurückgebaut, um die Verbindung mit Neubau herzustellen. Die Fenster wird mit neuer 2-fach Verglasung mit originalen Sprossen energetisch ertüchtigt, das Dach wird zum besseren Wärmeschutz in der zwischensparrenebene gedämmt. Die Dachgauben und Dachfenster sollen gemäß Bauzustand zurückgebaut werden. Im Innenraum werden alle Oberflächenbekleidungen denkmalgerecht saniert, auf eine weitere Dämmung der Außenwandflächen wird aus denkmalschutzgründen verzichtet. Die Integration von Haus Rolle in die quartierseigene Geothermieanlage verbessert die Energiebilanz von Haus Rolle zusätzlich.

 

Schwammstadt - Regenwasser direkt versickern

Die naturnahe Begrünung im Bereich der Dünenlandschaft ermöglicht ein nachhaltiges Regenwassermanagement. Mit den vorgeschlagenen Hügeln, Mulden und Rigolen können Teile der Gebäude sowie befestigte Flächen im Sinne des Schwammstadtprinzips entwässert werden. Das anfallende Regenwasser wird vor Ort zurückgehalten und wo möglich dezentral versickert oder verdunstet.  Mit diesem Ansatz wird ein Beitrag zum aktiven Klimaschutz geleistet, indem anfallendes Regenwasser vor Ort so weit wie möglich wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgeführt wird.